Gastgeber im ehemaligen Grenzgebiet
30 Jahre nach dem Mauerfall erinnern sich viele Landvergnügen Gastgeber an der ehemaligen innerdeutschen Grenze noch an die Teilung. Bei ihnen können Reisende ein Stück Geschichte erleben.
Beetz Paul, 96342 Stockheim
Eine Kapelle, die Grenzen überbrückt
In Stockheim im Frankenwald lebte Familie Beetz nur 40 Kilometer vom nächsten Grenzübergang entfernt. „Wir gingen nicht nach Ostdeutschland, weil wir keine Verwandtschaft dort hatten“, erinnert sich Paul Beetz, der seit 2016 Gastgeber bei Landvergnügen ist. Heute ist ihre Kundschaft eine Mischung aus Ost und West und man pflegt gute Beziehungen miteinander. Wer den Hof am Waldrand mit eigenem Ackerbau besucht, kann nicht nur selbstgebackenes Brot und Kuchen genießen. Besucher werden auch Zeugen der deutsch-deutschen Geschichte bei einem Spaziergang zur ein Kilometer entfernten Friedenskappelle in Burggrub. Sie wurde 1992 als Zeichen der Versöhnung und Völkerverständigung auf einem Hügel an der bayerisch-thüringischen Grenze gebaut und gibt den Blick frei nach Thüringen. In der Kapelle finden regelmäßig Gedenkgottesdienste statt, die an tragische Fluchtgeschichten erinnern. Im Ort führt auch der KC 72 - Grenzweg (Rundweg Frankenwald-Thüringen) vorbei. Das Wegenetz mit Texten und Hinweisen auf Einkehrmöglichkeiten gehört zum Grünen Band Deutschland.
Apfelhof Haul, 19273 Amt Neuhaus OT Bitter
Ein Leben am Ende der Welt
Direkt am Elbradweg liegt in Amt Neuhaus der Apfelhof von Fred Haul. Auf dem zertifizierten Arche-Betrieb leben vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen. Es gibt Bio-Saft aus alten Apfelsorten von eigenen Streuobstwiesen. Doch die ländliche Idylle hat eine bewegte Vergangenheit: Während der deutsch-deutschen Teilung gehörte Amt Neuhaus zu Mecklenburg-Vorpommern. Erst seit 1993 ist es Teil des niedersächsischen Landkreises Lüneburg. „Wir lebten damals direkt am Grenzzaun im Sperrgebiet“, erinnert sich Fred Haul. „Ohne Ausweispapiere durfte man das Haus nicht verlassen.“ Einen Tag, nachdem in Berlin die Mauer fiel, setzte sich Haul in seinen Trabbi und fuhr nach drüben. „Jahrzehntelang lebten wir am Ende der Welt, heute sind wir mitten in Europa“, freut er sich. Bei seinen Führungen über den Hof erzählt er seinen Gästen von vielen Grenzerfahrungen. Denn auch 30 Jahre nach dem Mauerfall kommen manchmal Reisende, die noch nie in Ostdeutschland waren und während der Teilung kaum Berührung damit hatten.
DekoHof Natur, 38486 Klötze OT Kunrau
Aufgewachsen in Klein-Berlin
Das geteilte Dorf Böckwitz-Zicherie in der Altmark ist im 30 Jahre nach dem Mauerfall wieder in aller Munde als ein Beispiel für die Unmenschlichkeit der Teilung. Klein-Berlin wurde es damals genannt, weil mitten durch die Ortschaft eine Mauer führte, genau wie durch die Hauptstadt. Häuser, die auf dem Grenzstreifen lagen, ließ man abreißen. Renate Bartels vom fünf Kilometer entfernten Kreativhof in Kunrau wuchs in Böckwitz auf und erinnert sich: „Wenn ich meine Eltern besuchen wollte, brauchte ich einen Passierschein. Das ist heute unvorstellbar.“ In Gesprächen mit ihren Landvergnügen Besuchern erzählt sie von damals. Gerade jüngere Besucher oder Gäste aus dem Ausland können sich die innerdeutsche Teilung nur schwer vorstellen. Zusammen mit ihrer Tochter Verena Treichel setzt sich für den Erhalt des Grenzmuseums in Böckwitz ein. Denn Renate Bartels ist überzeugt: „Die Erinnerungen an damals müssen auch den folgenden Generationen erhalten bleiben.“
Herberge am kleinen Weingarten Dahrendorf, 29413 Dahrendorf
In der Liebe vereint
Direkt am Grünen Band leben Amanda Hasenfusz und ihr Lebensgefährte Thorsten – eine Ost-West-Liebe einen Steinwurf von der früheren deutsch-deutschen Grenze entfernt. Gemeinsam verwirklichten sie den Traum einer Herberge für naturverbundene Menschen, Radfahrer und Wanderer in Dahrendorf, das bis 1989 zum sogenannten Sperrgebiet gehörte. Betreten durfte man es nur mit einem Passierschein. Ein Wachturm auf dem 500 Meter entfernten Grenzstreifen erinnert an die Teilung. Verena und Thorsten haben den Schlüssel und führen Besucher durch den Turm. Für sie hat Dahrendorf gerade wegen seiner Geschichte einen besonderen Charme. „Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden im Ort wegen des Sperrgebiets-Status’ keine Wohnhäuser neu gebaut – erst 2015 kamen zwei Bauten hinzu, darunter unser Herbergsbau am Dorfrand“, weiß Amanda. „Dahrendorf ist deshalb nicht zersiedelt. Und auch Gewerbegebiete hat man hier noch nie gesehen. Geschmeidige Ruhe und stressless sind Werte, die die Leute des Ortes sehr schätzen. Das finden wir wunderbar!“