Tour de Landvergnügen: Verträumtes Vogtland – Naturschönheit trifft Industrieerbe
Unsere Projektleiterin Dani hat mit einem Trabant-Oldtimer samt Dachzelt das Vogtland bereist.
Weite, Stille und ein Stück unbekanntes Landvergnügen – das war der Plan. Gefunden haben wir all das im Vogtland im Vierländereck zwischen Sachsen, Thüringen, Bayern und Böhmen. Im sächsischen Zwickau, der Heimat des Trabant, stiegen wir in ein delfingraues Modell Deluxe mit Original Gerhard-Müller-Dachzelt. Gerhard Müller, für alle, denen der Name nichts sagt, entwickelte in den 1970er-Jahren das erste Dachzelt der DDR und ließ sich die Technik patentieren. Ein echtes Stück Campinggeschichte also, das sich da auf unserem Trabi entfaltet.
Bevor es losgeht, erklärt Micha von der Oldtimervermietung Werk 2 geduldig alles, was man wissen muss: die Technik, das Dachzelt, den Zweitaktmotor und die kleinen Eigenheiten, die man an einem Trabi eben lieben lernt.
Dann geht’s endlich los. Mehr als 50 Kilometer am Tag sollen es nicht werden. Der Weg ist das Ziel. Oder vielleicht: das Dazwischen. Kaum raus aus Zwickau, breitet sich eine Landschaft aus, die uns nichts beweisen muss. Man verliebt sich hier nicht auf den ersten Blick, aber bald mit jedem Kilometer ein bisschen mehr.
Schon nach kurzer Zeit spannt sich die größte Ziegelbrücke der Welt mit sage und schreibe 26 Millionen verbauten Ziegeln, die Göltzschtalbrücke, vor uns auf und bringt den ersten Wow-Moment. Was für ein Bauwerk! Warum kennt eigentlich kaum jemand dieses Meisterwerk der Ingenieurskunst, das 1851 für die Bahnstrecke zwischen Leipzig und Nürnberg errichtet wurde? In Langenwetzendorf landen wir am Abend bei unseren Gastgebern vom Waldgasthof Drei Tannen. Mitten im Wald genießen wir windgeschützt Kloßteigpuffer, selbstgemachtes Löwenzahnhonig-Parfait und rote Brause.
Und der Trabi? Er wird von allen bestaunt und befragt, erweist sich als Zeitkapsel und sozialer Icebreaker: besonders hier, rund um Zwickau, wo man ihn nie ganz vergessen hat. Die erste Nacht unter DDR-Stoff ist dann still, weich und wunderbar. Am nächsten Tag stehen der Moorlehrpfad im Pöllwitzer Wald und die Talsperre am Zeulenrodaer Meer auf dem Programm. Trabi „Schorsch“ schnauft im Schatten, während wir am BioHotel im Biergarten leckeren Flammkuchen genießen.
Am Abend erreichen wir dann die Hofkäserei Meißgeier. So schön, wie man es sich kaum ausdenken kann. Seit 2014 begrüßt die sympathische Familie Meissgeier Landvergnügen-Gäste mit allem, was das Herz begehrt: ein Hofladen, der auch abends noch offen ist, ein Stellplatz mit Aussicht und ein Empfang so warm wie frisch gebackenes Brot. Zwischen Stall und Wiese dürfen wir stehen. Der cremige Kräutergrillkäse aus dem Hofladen landet aus der Pfanne direkt auf dem Brot und von der Wiese meckert es leise. Vielleicht will da jemand wissen, wie der Käse so war.
In der Nacht weht es uns fast aus dem Dachzelt. Dafür gibts Ziegenkino und einen dramatischen Himmel. Das Frühstück am nächsten Morgen ist die Krönung. Diverse prämierte Käsevariationen, garniert mit Liebe und ganz viel Landvergnügen. Als das Wetter kurz zickt, geht es einfach ins gemütliche Gartenhaus, welches die Familie extra für Camper gebaut hat. Noch ein Eintrag ins Gästebuch, dann verabschieden wir uns schweren Herzens von der Familie, den Ziegen und den Hofkatzen „Tiger“ und „Campy“.
Unser nächster Halt an diesem Tag ist Mödlareuth. Ein winziger Ort mit einem riesigen Stück deutscher Geschichte. Die Amerikaner nannten es einst „Little Berlin“. Hier verliefen die innerdeutsche Grenze und eine Mauer mitten durch den Ort. Heute erinnert das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth an diese absurde Vergangenheit. Wir spazieren an Wachtürmen, Stacheldraht und Sperrzäunen vorbei. Und wo einst Soldaten patrouillierten, wächst heute das Grüne Band.
Später besuchen wir die Sommerfrische-Villa des vogtländischen Illustrators und Poeten Hermann Vogel. Ein villenartiges Fachwerkhaus mit geschnitzten Märchenmotiven und verwunschenem Garten wie aus dem Froschkönig.
Am Abend erreichen wir dann den Bierseitenhof Drochaus. Ein herrlicher Flecken Erde vor einem kleinen Teich wartet auf uns. Zu allem Ärger macht der Wind an diesem Abend kurzen Prozess mit unseren Abendplänen und schickt uns viel zu früh in die Schlafsäcke. Volle Punktzahl bekommt der Stellplatz trotzdem. Und am Morgen wärmt uns wieder der Kaffee und auch wieder ein bisschen mehr Sonne.
Tagsüber erwartet uns die verwunschene Burgruine Liebau und ein kurzer Stopp an der Elstertalbrücke, quasi Geheimtipps am Wegesrand. Auf dem Flohmarkt an der Talsperre Pöhl finden wir noch bildschöne DDR-Tischdecken mit Kultpotenzial. Wie passend. Dann noch Pommes-Eis-Pause bevor es uns in Richtung Erzgebirge zieht.
Es naht der Abschied, noch ein letztes Mal Landvergnügen: der Waldhof Teichmann bei Auerbach. Und als wären das Vogtland und dieser Platz nicht schon schön genug, schicken uns die Gastgeber zu Fuß zum traumhaften Vogtlandsee. Dort stürzt sich Reinier mutig ins Wasser, während ich das Waldbaden vorziehe.
Zurück am Hof brutzeln für uns schon die Vogtländer Würste auf dem Grill. Wir träumen wohl. Auch wenn die Mücken pieksen, unsere Gastgeber sind so herzlich und nett, dass wir noch lange gemeinsam von alten Zeiten reden. Gastgeberin Tamara besaß selbst mal einen Trabant in der Jugend und möchte sich gerne noch kurz hinter das Steuer setzen.
Das Urlaubsende ist da. Etwas unfreiwillig rollen wir am nächsten Tag zurück nach Zwickau. Bitte, bitte noch nicht zurück ins Jetzt. Micha vom Werk2 weiß glücklicherweise Rat und nimmt uns noch auf eine Abschieds-Tour durch das August Horch Museum. Es wartet ein rollendes Archiv auf vier Rädern auf uns: Trabis, Audi-Modelle, alte Straßenszenen, interaktive Stationen. Was für ein Finale und nicht nur etwas für Freunde von heißen Motoren! Hier in Zwickau schließt sich der Kreis – hier, wo alles begann.
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Fotos: Daniela Pensold (Göltzschtalbrücke via depositphotos), Illustration: Eric Tiedt